Rückblick auf alte Zeiten (Skooter 1976)

  • Hallo zusammen,

    als junger Spund bin ich ab Sommer 1976 bis Ende 1978 (mit ein paar Unterbrechungen) mit einem Skooter gereist. Der Betreiber hieß Rosenzweig und das war ein 6-Säulen Fahrgeschäft der Fa. Mack von Anfang der 60er Jahre. Nichts mit ausfalten oder hydraulisch heben, alles reine Handarbeit. Die Firma existiert heute noch und der Skooter ist immer noch (etwas modernisiert) in Betrieb. Leider habe ich keinerlei Fotos mehr aus dieser Zeit. Aber vielleicht ist das für den einen oder anderen auch so interessant.


    Fuhrpark

    Zugfahrzeug für alles war ein MAN F7 9.168 Frontlenker, Umbau aus einer ehemaligen Sattelzugmaschine mit Ballastpritsche. Die zugehörigen Anhänger (alles Zweiachser mit Zwillingsbereifung) wurden grundsätzlich doppelt gefahren.

    1. Wohnwagen
    Moderner Mack mit Seitenerkern und hinterer Lenkachse (Seilzug)

    2. Kassenwagen
    Dreigeteilte Mack-Rolle, im vorderen Bereich die elektrische Anlage, in der Mitte der Kassenraum und hinten ein Packabteil für die Säulenverkleidungen und diverse Lichtleisten. Das Hauptstromkabel war im Kellerkasten aufgerollt.

    3. Chaisenwagen
    Mack-Rolle mit drei Etagen und elektrischem Rampenaufzug. Unten und in der Mitte wurden die Chaisen zweireihig, oben mittig gestellt. Die Fahrzeuge wurden kriechend eingeschoben und wieder rausgeholt. Im Sommer und bei etwas schräger Lage ein ganz besonderer "Spaß"

    4. Plattenwagen
    Hier wurden die Platten über eine Rampe mit der Sackkarre eingefahren und hochkant abgestellt. Oben drauf in 4 großen Säcken eingepackt die Dachplane.

    5. Dachstuhlwagen
    Langes Fahrzeug mit Klapprampe vorne und hinten. Seitlich auf Konsolen hingen die Binder vom Dachstuhl und in der Mitte auf dem Boden wurden die Sohlenstangen gelagert.

    6. Netzwagen
    Seitlich in Konsolen hing links und rechts das aufgerollte Netz, mittig auf dem Boden die Bretter vom Besucherfußboden

    7. Säulenwagen
    Links und rechts übereinander je drei Säulen, daneben je zwei der großen Kopfstücke der Sohle und der Rest in der Mitte war voll mit Unterlegholz.

    8. Plafondwagen
    Transport des Dachwulstes und der ganzen Plafonds, sowie diverser Lichtleisten

    9. Mannschaftswagen mit 3 Betten

    10. Kleiner Campinganhänger des Vorarbeiters

    Die Fahrzeuge wurden immer in folgender Zusammenstellung gefahren: 1+10, 2+9, 3+8, 4+6 und 5+7. Die Anhänger 4 bis 9 waren alles irgendwelche Umbauten aus älteren Fahrzeugen, die passend gemacht worden waren, lediglich Fahrzeug 8 war ein originaler Ackermann-Möbelanhänger. Fahrzeuge 6,7 und 9 hatten sogar noch Auflaufbremsen, allerdings festgesetzt und (außer Nr. 9) mit Druckluftbremsen nachgerüstet. Damals hatten die Fahrzeuge nur einfache Einkreisbremsen.


    Aufbau der Sohle

    Anhand der zugewiesenen Fläche wurde der Kassenwagen positioniert und anschließend die höchste Stelle ermittelt (vollkommen ebene Flächen gab es fast nie). Bevor man überhaupt anfangen konnte, musste erst mal das ganze Unterlegholz aus dem Säulenwagen ausgeräumt und auf die Seite geworfen werden. Zwei Stunden später war das dann mit 2 Mann erledigt. Das Kopfstück der Sohle an der höchsten Stelle wurde dann ausgerichtet und mit Hilfe der Wasserwaage unterlegt, zeitgleich wurden die restlichen Kopfstücke ausgeladen, ebenso der mittlere Sohlenstrang und die umlaufenden Träger. Stück für Stück wurden alle diese Teile verbunden und unterlegt, danach die langen Träger der Sohle ausgeladen und in die Grundkonstruktion eingehangen. Danach wurden dann die ganzen Böcke (Unterbau des umlaufenden Fussbodens und Begrenzung der Fahrbahn) aufgesetzt.

    Auslegen der Fahrbahn

    Dazu wurde der Plattenwagen angesetzt und eine lange schwere Rampe angesetzt. Die Platten (2x1m und ca. 150 Kg pro Stück, Endstücke 1x1m) wurden dann mit einer Sackkarre ausgefahren und passend abgelegt. Um die Rampe anzulegen, mussten natürlich die ersten 3 bis 4 Platten von Hand getragen werden. Die erste Reihe musste zudem exakt und mit etwas Vorsicht eingelegt und am Rand bei den umlaufenden Böcken mit je zwei Holzkeilen abgefangen werden. Der Rest war dann Routine, zwei Mann fuhren die Platten und einer klappte diese ab und schon sie in Position. Waren alle Platten gelegt, wurde ringsrum alles mit doppelten Hartholzkeilen und schwerem Hammer verkeilt.

    Dachsäulen

    Jede der sechs Säulen wog ca. 250 Kg und war als Gittermast aus Rohrprofilen verschweißt. Ratschenwinde und Zugseil blieb grundsätzlich an der Säule. Die Säulen mussten von 3 Mann getragen und dann an ihrer Einbaustelle nach dem Verbolzen manuell hochgedrückt werden.

    Restarbeiten am Unterbau

    Rings um die Fahrbahn wurden jetzt dicke Balken als Pufferfläche an die Böcke angehangen, die Umlaufbleche in zwei Ebenen ausgelegt und festgeschraubt und die Aussenfläche zwischen den beiden Fußbodenebenen mit Plafonds versehen.

    Dachstuhl

    Außenring und mittlere Streben bestanden wieder aus verschweißten flachen Gittermasten, die alle einzeln transportiert und an ihrer Position zusammengesteckt und verbolzt wurden. Mit allem drum und dran waren das ca. 20 große und über hundert kleinere Teile. Der mittige Dachreiter bestand aus drei langen Streben, die auf insgesamt 4 Stockwinden aufgesetzt wurden. Waren alle Teile verbunden, wurden die 4 Dachplanen übergeworfen, diese miteinander verbunden und am umlaufenden Rand des Dachstuhles befestigt. Mit den Stockwinden wurde dann später die Plane gespannt. Dutzende von Lichtleisten mussten ebenfalls herangetragen und eingehangen werden.

    Einbau des Fahrleitungsnetzes

    Zuerst wurde der ganze Dachstuhl über die sechs Winden an den Säulen soweit hochgezogen, dass man unter der Trägerkonstruktion aufrecht gehen konnte. Waren dazu keine 6 Personen greifbar, eben in kurzen Etappen mit Hin- und Herwechseln. Danach wurden die beiden Netze ausgeladen und nebeneinander liegend ausgerollt. Verbunden wurden die beiden Netze mit mehreren Stangen aus Federstahl, die in an den Netzen befindlichen Ösen eingefädelt wurden. Einer hielt die Ösen in Position und der andere trieb die Stangen mit Hammerschlägen in Position. Schließlich wurde ein langes Drahtseil in am Dachstuhl ringsum laufende isolierte Konsolen gezogen und die Enden des Seiles mit einer Ratschenwinde verbunden. Mit einer Unzahl an S-Haken wurde das Netz dann in dieses Drahtseil eingehangen. Nach dem Spannen des Drahtseiles wurden die inneren Bereiche des Netzes noch mit isolierten Haken an den Dachträgern abgefangen.

    Finish

    Der Umlaufwulst am Seitendach und die Plafonds der Verkleidung bestanden aus geschwungenen Holzrahmen mit Sperrholzbeplankung. Diese Teile wurden ringsum angebracht und mit Lichtleisten versehen. Wohlgemerkt, alles von Hand. Danach wurde der Dachstuhl in seine endgültige Position hochgepumpt, oben verbolzt und die Säulen mit Lichtleisten und Verkleidungen versehen. Nach dem Ausladen der Chaisen, deren Aufrüstung und der restlichen Elektrik war der fliegende Bau dann betriebsbereit.

    Zeitaufwand

    Mit 3 Mann konnte man den Skooter in 2 1/2 Tagen aufbauen, bei gutem Untergrund (geteerte ebene Fläche) gings auch etwas schneller. Einige Hilfskräfte waren zum Glück auch immer vorhanden, winkte doch als Belohnung neben reichlich Essen und Trinken der begehrte Schlüssel, mit dem man dann die ganze Spielzeit umsonst fahren konnte (es ging natürlich auch darum, die Chaisen nach jedem Fahrzyklus immer wegzuräumen). Abbau war immer direkt nach Ende der Spielzeit und dauerte nur ein paar Stunden.

    Nostalgie

    Auch wenn das Geschilderte eine richtig schwere Knochenarbeit war und ich mir selber das überhaupt nicht mehr vorstellen könnte, es ging auch so. Es musste halt alles von Hand getragen werden und Hilfsmittel wie Kran war undenkbar.

    Zu der Zeit gab es dann auch schon die ersten Skooter, bei denen auf einem Zentralanhänger das Meiste schon fix und fertig installiert war und nur ausgeklappt werden musste. Ein Unterschied wie Tag und Nacht.

    Ich hoffe, ich habe jetzt keinen Leser mit dem langen Text damit gelangweilt.

  • Und nach all der Schuffterei durfte man dann 4 Tage lang die unbenutzten Autos mit dem coolen Dauerchip einparken. ..Das war in meiner Kindheit mein Traumjob...

    So jetzt bin ich etwas älter und froh, daß nicht alle Träume in Erfüllung gingen...ich habe vor den Schaustellern riesen Respekt...

    Aber schön beschrieben, hatte beim lesen das Gefühl auch mitgeholfen zu haben :top
    Schöne Grüße
    Andy

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